Von Liebeskummer bis zum Burn-out

Festivalbesucher, Deichbrand 2018, Blick in die Menge

© Jessika Wollstein/DEICHBRAND Festival

Festivalbesucher, Deichbrand 2018

Von Liebeskummer bis zum Burn-out
Seelsorge-Team begleitet "Deichbrand"-Festival auf dem Seeflughafen Nordholz
Mit einem elfköpfigen Team wollen evangelische Seelsorger die Besucher des diesjährigen "Deichbrand"-Musikfestivals begleiten, das am Donnerstag (18. Juli) auf dem Gelände des Seeflughafens in Nordholz bei Cuxhaven beginnt. "Deichbrand - das ist Ausnahmezustand", sagte Koordinator Manfred Lea (65) dem Evangelischen Pressedienst (epd). Für manchen Festival-Besucher ist das viertägige Open Air nach den Erfahrungen des Theologen auch emotional Ausnahme. Mancher, der seinen Liebeskummer im Alkohol ertränken wolle, "dreht plötzlich am Rad".

Die Seelsorger sind seit 2012 dabei, wenn das "Deichbrand"-Festival startet. Im vergangenen Jahr habe es einen dramatischen Start gegeben, erinnerte sich Lea. Eine junge Frau habe kurz nach ihrer Ankunft am Handy erfahren, dass ihr Vater Suizid begangen habe. Die Seelsorger betreuten sie zunächst auf dem Festivalgelände und begleiteten sie schließlich zurück nach Hause. Lea erinnerte sich auch an einen Mann aus dem Sanitätsdienst, den ein Burn-out überwältigte und der Hilfe benötigte.

Nicht zuletzt durch das Zusammenspiel von Liebeskummer und Alkohol sei Suizid in Krisen-Gesprächen relativ oft ein Thema, berichtete der erfahrene Pastor, der in der Region die Notfallseelsorge aufgebaut hat. "Ein paar Stunden rausnehmen aus dem Geschehen, bei Bedarf Freunde mit ins Boot holen - das kann helfen", sagte Lea.

Oft gehe es auch nur um ein Gespräch. "Das ist so wohltuend. Manche sagen einfach nur, dass es schön sei, dass wir da sind. Andere reden über Glauben, ihr Leben, ihre Eltern, ihre Sexualität, persönliche Probleme." In allen Situationen sei es wichtig, den Menschen mit einem offenen Ohr zu begegnen: "Zuhören ist unsere wichtigste Aufgabe." Noch habe er kein Gespräch mit einem Gebet oder einem Segen beendet. "Aber das würde ich natürlich auch machen, wenn ich darum gebeten werde."

Das Team um Lea ist schon von weitem an violetten Einsatz-Westen mit dem Schriftzug "Seelsorge" auf dem Rücken zu erkennen. Er komme gerne auf das Festival, betonte der Pastor. "Zwischen 55.000 und 60.000 Besucher - das ist hier wie eine Kleinstadt, eine große Gemeinschaft." Trotz Alkohol sei die Stimmung meist entspannt. Es mache auch Spaß, durch die Camps zu gehen, in denen eng Zelt an Zelt stehe.

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Wichtig bei all dem sei die Anonymität in der Begegnung. "Einfach zu wissen: Nach dem Gespräch gehst du deinen Weg, ich geh meinen Weg - das ist wie ein Türöffner." Trotz voller Tage sei er am Ende des Festivals bisher noch nie k.o. gewesen. "Klar, die Nächte sind kürzer. Am wichtigsten ist es, dass es friedlich bleibt. Und so ist es bisher immer gewesen."

Das 15. "Deichbrand"-Festival läuft bis zum Sonntag (21. Juli). Zum Programm gehören unter anderem Auftritte der Bands Madsen, Fettes Brot und Tocotronic sowie des Rappers Cro. Im vergangenen Jahr kamen nach Angaben der Veranstalter rund 60.000 Besucher.