Berlin (epd). Die Zahl der Besucher in den deutschen NS-Gedenkstätten ist das zweite Jahr in Folge deutlich gestiegen. Wie eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) unter den Einrichtungen ergab, besuchten 2023 mehr Menschen Gedenkstätten, die an die Verbrechen und Opfer des Nationalsozialismus erinnern, als im Vorjahr, in dem es zumindest in den ersten Monaten noch Corona-Beschränkungen gab. Das Niveau der Besucherzahlen aus dem Vor-Corona-Jahr 2019 wurde aber meist noch nicht wieder erreicht. Zudem berichteten einige Gedenkstätten von einer Zunahme antisemitischer Übergriffe seit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober.
Die KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen in Brandenburg zählte nach eigenen Angaben eine halbe Million Gäste. Das sind deutlich mehr als die 355.000 im Vorjahr, aber auch deutlich weniger als die 700.000 Besucherinnen und Besucher aus dem Vor-Corona-Jahr 2019. In die niedersächsische Gedenkstätte Bergen-Belsen kamen laut einer Sprecherin rund 215.000 Menschen. Das waren mehr als im Vorjahr, die Besucheranzahl aus dem Vor-Corona-Jahr mit rund 250.000 Besucherinnen und Besuchern wurde aber nicht erreicht.
Einen deutlichen Anstieg der Besucherzahl verzeichnete die Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin. Dort wurden im vergangenen Jahr 96.059 Gäste registriert, 44.323 mehr als im Jahr davor und damit beinahe so viele wie vor der Pandemie. In Bayern konnte die KZ-Gedenkstätte Flossenbürg mit 79.600 Besucherinnen und Besucher zwar nicht an die Besucherzahlen von 2019 anschließen, nach eigenen Angaben haben in Flossenbürg allerdings auch im Vor-Corona-Vergleich deutlich mehr Menschen an betreuten Programmen wie Führungen und Projekttagen teilgenommen.
Mehrere Gedenkstätten berichten von einer Zunahme antisemitischer Kommentare auf ihren sozialen Kanälen. Stefan Querl, Leiter des Geschichtsortes Villa ten Hompel, Sitz der Ordnungspolizei im Nationalsozialismus, in Münster, beobachtet beispielsweise in Gesprächen mit Gästen "eine massive Diskursverschiebung" in Richtung von Antisemitismus. Die Villa ten Hompel erreichten seit der erneuten Eskalation im Nahostkonflikt vermehrt Anfragen von Lehrkräften, wie politischen, antisemitischen Provokationen im Schulalltag zu begegnen seien, sagte Querl.
Zwischen 1933 und 1945 ermordeten die Nationalsozialisten fast sechs Millionen Juden in ganz Europa und Nordafrika - durch Vergasung, Erschießung oder Verhungern. Schätzungen von Experten zufolge sind der NS-Verfolgung bis zu 17 Millionen Menschen zum Opfer gefallen.